Andreas Gruber – Apocalypse Marseille

gruber-apocalypseAndreas Gruber – Apocalypse Marseille

Utopische Geschichten, Paperback, 344 Seiten

Luzifer-Verlag 2016

Andreas Gruber zeigt in dreizehn utopischen Geschichten, dass er nicht nur von den Großen der Science-Fiction-Literatur beeinflusst wurde sondern auch welch erzählerisches Talent in ihm selber steckt. Jede seiner Stories führt er mit teils witzigen, teils recht informativen Vorreden ein. Dabei erfährt der Leser/ die Leserin etwas über Grubers schriftstellerischen Werdegang, seine Vorlieben und Abneigungen. Verleugnen kann er nicht seine Affinität und Liebe zum Science-Fiction- und Fantasy-Genre.

Die erste Kurzgeschichte „Sieben Ampullen“ kommt beinahe wie ein normaler Kurzkrimi beim Lesen an. „Ramada Inn“ wartet dann schon mit „Alien“ auf und in „Biohybriden“ erinnert man sich an zahlreiche Filme, in denen Mensch und Maschine eins werden. Viele der Kurzgeschichten entwickeln sich phantastisch und enden teils abrupt mit einem auflösenden Satz. Da wünscht sich der Eine oder Andere eventuell ein herausgezogenes Ende oder eine Weiterentwicklung der Geschichten.

„Weiter oder Raus“ ist in dieser Erzählsammlung ein längeres Werk. Eine perverse Fortführung der dem Leser bekannten Unterhaltungsshows und Reality-Live-Shows im abendlichen Fernsehen. Wer an „Wetten, dass…“ denkt, liegt nicht ganz falsch. Allerdings sollten Menschen mit gutem Vorstellungsvermögen diese Geschichte meiden. Sie ist an Brutalität kaum zu überbieten; nichts für schwache Nerven.

Es gibt auch sanfteres, beinahe Schönes, wenn uns der Autor mit einer Zeitreise ins Wien um 1900 entführt oder auf eine vergangene Forschungsreise ins Innere eines Maya-Tempels. Und dem Untergang der Titanic gibt er in einer seiner Stories einen völlig neuen Aspekt.

Doch die Welt der Zukunft ist nicht rosig, zumindest nicht bei Gruber. Das ist keine heile Welt mehr, die er uns aufzeigt, eher düster und kaputt wie in „Apocalypse Marseille“, die dem Erzählband ihren Namen gegeben hat. Wie geht das Leben nach dem „Fall out“ weiter, wie sieht unsere Welt nach Atomkatastrophen aus? Eines erreicht Gruber mit seinen Geschichten, er regt dazu an sich die künftige Welt einmal anders vorzustellen, vielleicht erreicht er ja damit, dass sich einige Wenige im Jetzt anders verhalten. Ein Lesevergnügen für eingefleischte Science-Fiction-Fans ist sicher.

Stefan Holtkötter – Dreikönigssingen

Dreikönigssingen-CoverStefan Holtkötter – Dreikönigssingen

Provinz-Krimi, Paperback, 237 Seiten

Verlag Topp + Möller,  November 2015

Holtkötters neues selbsternanntes Ermittlerduo hat gerade seinen ersten Fall bravourös gemeistert, da geschieht schon wieder ein Mord im beschaulichen münsterländischen Dorf Buddenbeck. Miss Marple und Mister Stringer, ach nein, Tönne Oldenkott, landwirt im Ruhestand und Dorfpolizistin Lisbeth, die richtig Gül Yilmaz heißt kümmern sich auch um diesen neuen Fall. Sie kennen ihre Buddenbecker besser als die ganzen „Kriminalen“ in Münster und die beiden ahnen, dass die Kripo gewaltig auf dem Holzweg ist.

In einer stürmischen Nacht in Buddenbeck zündet mancher alte Münsterländer noch eine geweihte Kerze an, um Unheil von Mensch,  Vieh und Haus abzuwenden. Ein christlicher Brauch, der immer mehr in Vergessenheit gerät, findet auch Tönne Oldenkott und beobachtet schlaflos, was bei seinem Nachbarn auf dem Hof passiert. Fahrzeuglichter kann er ausmachen, mehr nicht. Am nächsten Tag wird sein Nachbar Bauer Alfons Kerkering tot auf dem Hof gefunden. Brutal erschlagen. War es ein Einbrecher, wie die Kriminalbeamten aus Münster vermuten? Der selbsternannte Ermittler traut der Kripo nicht zu, den Fall zu lösen, so ermittelt er mit Hilfe von „Lisbeth“ auf eigene Faust. Das Dreikönigssingen seiner beiden Enkeltöchter bietet Tönne die Möglichkeit sich auf den Höfen im Dorf umzuschauen ohne Argwohn zu erregen.

Holtkötters neue Romanfiguren sorgen für einen unbeschwerten Ausflug aus dem Alltag und sind eine nette Lektüre für zwischendurch mit einem Hauch von Lokalkolorit. Der Lesespaß wird einzig durch eine äußerst mangelhafte Lektorierung getrübt, es wimmelt nur so von Fehlern, und so hat sogar das Mordopfer zwei verschiedene Vornamen.

 

Stefan Holtkötter – Schützenbrüder

Schützenbrüder-CoverStefan Holtkötter – Schützenbrüder

Provinz-Krimi, Paperback, 223 Seiten

Verlag Topp + Möller,  November 2014

Mit seinem Wechsel zum Verlag Topp + Möller präsentiert Stefan Holtkötter zwei neue Provinzkrimis, die der Verlag mit einem Button „Münster kriminell“ bewirbt. „Schützenbrüder“ und „Dreikönigssingen“ sind in der Heimat des gebürtigen Münsterländers angesiedelt, und sicher kann der Autor zahlreiche Erinnerungen aus seiner Kindheit und Jugend mit einbringen, die die Geschichten recht authentisch wirken lassen.

Wer kennt nicht Miss Marple und Mister Stringer, die Protagonisten der Agatha Christie Krimis? Holtkötter nimmt sie sich als Vorbild, tauscht aber Miss Marple gegen den im Unruhestand befindlichen Landwirt Tönne Oldenkott und Mister Stringer gegen die junge türkischstämmige Dorf-Polizistin Gül Yilmaz. Lisbeth nennt er sie immer, weil ihn ihr Vorname doch zu sehr am Gülle erinnert.

Beim Schützenfest wird hinter dem Festzelt die Leiche des Kassenwarts aufgefunden. Der eigenbrötlerische Mann wurde mit Kirsch-Aufgesetztem vergiftet. Für die Kriminalpolizei in Münster steht die Mörderin schnell fest, die Tochter des Ermordeten, denn zum einen hat sie ihrem geizigen Vater Werner Osthues den Aufgesetzten selber mitgegeben, weil der nichts anderes trinkt, und zum Anderen hat niemand sonst aus dessen gut bewachter Flasche getrunken. Wer sollte ihn also umgebracht haben und aus welchem Grund?

Tönne kennt alle Buddenbecker, so ist er sich sicher, dass Mechthild Osthues ihren Vater nicht auf dem Gewissen hat. Der Mörder ist wo anders zu suchen. Um Mechthild aus der Untersuchungshaft zu holen, ihre Unschuld zu beweisen und den wahren Täter zu finden, sind Tönne auch nicht ganz legale Tricks recht. Dorfpolizistin Gül hilft widerstrebend mit.

Den Auftakt zu seinem neuen Krimi gestaltet Stefan Holtkötter sehr witzig, leider verliert sich dieser Humor in der weiteren Geschichte schnell und funkt nur gelegentlich hier und dort wieder auf. Die Story selber ist schlüssig und bedient sich der üblichen Umwege, bis der Täter überführt ist. Kleine Nebenhandlungen vermitteln Atmosphäre und verraten dem Leser mit Hilfe seiner Phantasie mehr über die Personen, als es der Autor mit Worten bewerkstelligt. Insgesamt eine leichte Wochenendlektüre, die auch gerne mit ins Bett genommen werden darf, da sie mit Sicherheit keine bösen Träume provoziert.

Tibor Rode – Das Mona-Lisa-Virus

mona-lisa-virusTibor Rode – Das Mona-Lisa-Virus

Thriller, Bastei Lübbe

462 Seiten, 14,99 €, Paperback

15.04.2016

Schöne Menschen haben größeren Erfolg im Leben, schöne Dinge werden bevorzugt. Warum das so ist, erklärt in der Kunst der sogenannte „Goldene Schnitt“ ein Zahlenverhältnis, das bereits seit der Antike bekannt ist. Die Wissenschaftlerin Helen Morgan – Protagonistin des Thrillers – untersucht dieses Phänomen, die Wirkkraft der Schönheit. Sie hat unter anderem eine Methode entwickelt, mit der sie Kunstwerke vermisst. Ihre Arbeit soll sie auch an dem berühmtesten Gemälde der Welt Leonardo da Vinci Mona Lisa durchführen. Dazu kommt Helen jedoch nicht, denn die Ereignisse überschlagen sich und sie wird in eine Geschichte hineingezogen, deren Ausmaße niemand zu durchschauen scheint.

In Amerika verschwindet eine Gruppe von Schönheitsköniginnen und taucht durch Operationen entstellt wieder auf. In Leipzig sprengen Unbekannte das Alte Rathaus, und in Mailand wird ein Da-Vinci-Wandgemälde zerstört.  Gleichzeitig verbreitet sich auf der ganzen Welt ein Computervirus, das Fotodateien systematisch verändert und außerdem gibt es ein mysteriöses Bienensterben.

Irgendjemand hat offensichtlich der Schönheit den Kampf angesagt. Aber was haben Bienen damit zu tun? Mit der Frage, wie diese Ereignisse zusammenhängen beschäftigte sich nicht nur Helen Morgen, die erfährt, dass ihre Tochter entführt wurde,  sondern auch FBI-Agent Millner. Der Anfang des Komplotts scheint in der Schaffung des berühmten Mona-Lisa-Gemäldes vor 500 Jahren zu liegen.

Tibor Rodes Roman bietet ein kurzweiliges Lesevergnügen, ein echter Thriller. Er erinnert ein wenig an Dan Browns Verschwörungskrimis. Auch Rhodes Geschichte setzt in einigen Passagen auf den „deus ex macina“, das Geld und den Einfluss eines der reichsten Männer der Romanwelt. Dennoch ist die Geschichte logisch aufgebaut und lässt keine Frage offen. Schwierig ist der etwas holprige Einstieg. Verschiedene Orte und Handlungen werden zusammenhanglos hintereinander gesetzt. Wer aber die Geduld aufbringt, den einzelnen losen Fäden zu folgen, wird mit einem spannenden Stoff beschert.

Rita Falk – Leberkäsjunkie

LeberkäsjunkieRita Falk – Leberkäsjunkie

dtv premium, 2016
Originalausgabe
320 Seiten, 15,90 € broschiert
Ach ja, der Eberhofer Franz hat’s schwer, er ist Papa geworden, aber so recht etwas von seinem Sprößling hat er nicht, denn die Susi macht ihm Stress, die Besuchszeiten organisiert die Mutter knallhart durch, da kennt sie kein Pardon. Schließlich sind Franz und Susi ja nicht verheiratet, eben nur Vater und Mutter. Und außerdem lässt die Susi den Franz irgendwie nicht mehr näher an sich rankommen.

Nach seiner Versetzung nach München sieht die Welt für den Dorfpolizisten ja etwas anders aus, ausgerechnet da passiert wieder etwas in Niederkaltenkirchen, die Pension von der Mooshammer Liesl brennt ab und mit der Pension ein Fremder, der mit Brandpaste beschmiert und bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt wurde. Wer ist das Brandopfer, was wollte es im Dorf? Schnell gerät der angolanische Fußballspieler Buengo vom FC Rot-Weiß Niederkaltenkirchen unter Mordverdacht. Franz nimmt die Ermittlungen auf natürlich mit der aufgedrängten Hilfe seines Ex-Kollegen und Freundes dem Birkenberger Rudi.

Aber dem Franz wird immer so schwummrig. Auch dem Doktor Brunnermeier gefällt der Eberhofer gar nicht und so führen die Schwindelanfälle dazu, dass der Franz von der Oma auf Cholesterindiät gesetzt wird, Schluss mit Fleischpflanzerln oder mit den „Warmen“ vom Simmerl. Das erschwert die Ermittlungen ungemein und  der „Leberkäsjunkie“ Franz leidet unter Entzugserscheinungen, seine Laune ist damit auch völlig im Keller.

Nicht aber die Laune der Leser. Mit dem siebten Eberhofer-Krimi geht die Provinzkrimireihe um Franz und seinen treuen Hund Ludwig, die schwerhörige Oma, den kiffenden Papa, den ungeliebten Bruder Leopold, Ex-Kollegen Rudi und den anderen wohlbekannten und geliebten Figuren weiter. Logisch und liebevoll gestaltet Rita Falk ihre Geschichte und die Figuren. Wieder kann der Leser in die nicht immer heile Dorfwelt eintauchen. Zu lachen gibt es selbstverständlich bei den Falk-Krimis sehr viel. Sie ist eine der wenigen, die es gekonnt versteht Witz und Krimigeschichte zu verbinden, so wird das Lesen zu einem Leckerbissen. Zum Schluss gibt es außerdem alle erwähnten Gerichte der Oma noch einmal zum Nachkochen vom Franz aufgeschrieben, und auch die Koch- und Backrezepte sind mit reichlich Humor gewürzt.

 

 

J.B.Morrison Wie Frank Derrick mit 81 Jahren

Morrison-DerrickJ.B.Morrison: Wie Frank Derrick mit 81 Jahren das Glück kennenlernte. Roman aus dem Englischen von Karin Meddekis. Lübbe, Köln. 286 Seiten, 14,99 Euro Paperback

Beim Namen J. B. Morrison klingelt es bei dem einen oder anderen vielleicht im Musikgedächtnis, denn der vielseitige britische Autor war Mitglied der berühmten Indie-Rock-Band Carter USM und hat außerdem schon mehrere Soloalben veröffentlich, Drehbücher geschrieben und trat sogar in einem Musical auf. Mit „Wie Frank Derrick mit 81 Jahren das Glück kennenlernte“ fühlt er sich mit seinen 55 Jahren problemlos in die Welt alter Leute ein.

Im Grunde bestimmt die Langeweile das Leben des Protagonisten Frank Derrick, der alleine mit seinem Kater Bill in einem Haus wohnt. Frank macht sich so seine Gedanken, wie es weitergeht, wenn er durch einen Unfall ans Haus gefesselt ist. Schafft er es dann noch die Kredithaie, Dachdecker, Versicherungsvertreter abzuwimmeln und erst recht die Hersteller von Treppenlifts. Und dann kommt Franks 81. Geburtstag und das abstruse Unglück passiert, er wird von einem Milchwagen überfahren. Der Milchmann hatte bei acht Kilometern pro Stunde die Kontrolle über seinen Wagen verloren. Für Frank nicht so witzig wie für den Leser.

Nach der Krankenhausentlassung mit eingegipstem Arm kommt jedoch das Glück in Franks Leben in Form von „Weihnachten“. Kelly Christmas, die Haushaltshilfe betreut den Alten wöchentlich für einige Stunden. Das bringt den im Kopf eigentlich ganz jung gebliebenen Greis auf immer wieder neue Ideen. Frank Derrick entdeckt, dass es außerhalb seiner vier Wände noch eine Welt gibt mit vielen teils seltsamen Menschen. Er beginnt diese Welt zu erkunden, erlebt viele kleine Abenteuer und wird immer mutiger. In Franks humorvoll Ausdrucksweise mit Sioux-Namen, die er einigen Leuten gibt: „Die-die-das-Buch-lesen“ werden ihren Spaß an dem feinsinnigem Humor haben.

Sehr empfehlenswert für jeden, der alt werden möchte, sich einmal auf diese sehr witzige Weise mit den großen und kleinen Problemen des Altwerdens zu beschäftigen. Wie dieses Buch sehr schön verdeutlicht ist Altern nicht nur ein körperlicher Prozess, sondern auch ein geistiger und emotionaler, dem jeder nach seinen Möglichkeiten etwas entgegensetzen kann.

 

Salman Rushdie: Zwei Jahre, acht Monate und achtundzwanzig Nächte

Rushdie_Zwei_Jahre_3DSalman Rushdie: Zwei Jahre, acht Monate und achtundzwanzig Tage. Aus dem Englischen von Sigrid Ruschmeier. Bertelsmann, München. 380 Seiten, 19,99 Euro.

Der große Geschichtenerzähler Salman Rushdie liefert mit seinem neuen Roman „Zwei Jahre, acht Monate und achtundzwanzig Nächte“ – das sind 1001 Nächte – ein Märchen von Dschinns und Dschinnyas, den weiblichen Märchenwesen, und hier besonders von der hochrangigen Dschinnya-Prinzessin Dunja, die sich in den Philosophen Ibn Ruschd verliebt und mit ihm eine ungezählte Kinderschar zeugt. So geschieht es zum Ende des Kalifats in Spanien, also im Mittelalter. Doch das ist nur der Beginn einer sehr kriegerischen Geschichte, denn nachdem der Mensch Ibn Ruschd stirbt und sich im Grab mit seinem Widersacher über Religion und Gott streitet, lebt Dunja als Geistwesen natürlich weiter.

„Niemand bemerkte es oder interessierte sich dafür, dass sie sich eines Tages zur Seite drehte, durch einen Schlitz in der Welt glitt und nach Peristan zurückkehrte, in die andere Realität, die Welt der Träume, die die Dschinn in regelmäßigen Abständen verlassen, um die Menschheit zu plagen oder zu beglücken.“

Die Schlitze in die Anderswelt schlossen sich, doch vielleicht ist es der philosophische Streit zwischen Ibn Rushd und seinem konservativen Gegner Gahzali, für den die Ewigkeit das wahre Leben ist, der die Durchgänge wieder öffnet. So muss Dunja handeln, denn

„Ihr Geliebter bat sie von jenseits des Grabes, ihre verstreute Familie zu vereinen und ihr zu helfen, gegen die kommende Weltkatastrophe zu kämpfen.“

Es gibt nicht nur gute Dschinns und Dschinnyas.

„Leider kehrten auch andere Bewohner der Dschinn-Welt in die Gebiete der Menschen zurück, und nicht alle hatten Gutes im Sinn.“

Sie stürzen unsere moderne Welt ins Chaos. Das zeigt Salman Rushdie an einer großen Anzahl an Personen. Es beginnt ganz klein, erst schwebt Mr. Geronimo ein winziges Stückchen über dem Boden, soviel dass ein Blatt Papier unter seine Schuhsolen passt. Doch das steigert sich. Die bösen Dschinns stürzen die Welt ins Chaos. Der Krieg zwischen Bösen und Guten wird von Persistan in unsere Welt getragen, es herrscht Terror. Können Dunja und ihre Nachkommen die Welt retten? Gibt es eine Waffe gegen den Terror?

Man muss sich nicht mit Philosophie oder Religionswissenschaften auskennen, um sich seine Meinung zu bilden und Position zu beziehen, auch in dem offensichtlich nie endenden Krieg der Gesinnungen. Bei aller Ernsthaftigkeit des hochaktuellen Themas, das der Autor hier in der Übertragung in die Märchenwelt aus tausendundeiner Nacht anspricht, lässt das Buch eine große Portion Humor nicht vermissen und ist außerdem hollywoodreifes „Kopfkino“. Eine absolute Leseempfehlung für alle, die phantastische Geschichten lieben aber auch für die, die Bezüge zum aktuellen Weltgeschehen in dieser abgedrehten Form überdenken möchten. Ein Buch, das man sich nicht entgehen lassen sollte.

 

Neuerscheinung: Die Flucht der blauen Pferde

Blaue PferdeDer Roman „Die Flucht der blauen Pferde“ ist bereits der vierte Regionalkrimi von Sabine Schulze Gronover. Das 320 Seiten starke Buch ist gerade im Emons Verlag erschienen.

Protagonist ist Konstantin Neumann, der gerade aus dem Gefängnis entlassen und mit Hilfe seiner Schwester in ein ruhiges Mietshaus in Münster eingezogen, im Hausflur eine Frauenleiche entdeckt. Den wegen Totschlags verurteilten Straftäter bringt das in eine missliche Situation. So wird er wider Willen zum Ermittler und konkurriert in gewisser Weise mit der für den Fall zuständigen Kommissarin Finke. Im Laufe der Handlung führt die Spur zu längst verschollenen Gemälden, die die Nazis während des Zweiten Weltkriegs geraubt haben. Ein Bild steht dabei im Vordergrund, Franz Marcs „Turm der blauen Pferde“. Inwieweit die Mitbewohner in dem kleinbürgerlichen Mehrfamilienhaus in Mord und Kunstraub oder Kunstfälschung involviert sind, entdeckt der Ex-Knacki mit viel Beharrlichkeit, Phantasie und Hilfe seines krebskranken Knast-Kumpel Frank sowie seiner Schwester und Anwältin. Um Konstantins Leben feste Strukturen zu geben, schenkt ihm seine Schwester Hund Goofy, einen ausgemusterter Drogenspürhund der Polizei.

Der Protagonist führt abwegige und spannende Ermittlungen durch, die von der Autorin hervorragend konstruiert glaubhaft wirken. Außerdem haben alle Personen sehr sympathische Züge, das geht ein wenig in Richtung heile Welt, macht es andererseits für den Leser schwer, zwischen den Guten und den Bösen zu unterscheiden. So bleibt die Spannung erhalten und das Ende überrascht.

Ein weiterer Kunstgriff ist es, das Thema Raubkunst sinnvoll in einem Regionalkrimi unterzubringen, das gelingt Schulze Gronover spannend, unterhaltsam, ungewöhnlich und informativ.

Sieht man von den für einen Mann, insbesondere Ex-Knacki, eher ungewöhnlichen Verhaltensweisen und Sprache ab, ist das Buch sehr unterhaltsam und die richtige Wahl für alle die humorvolle Krimis, nicht nur Regionalkrimis, lieben.

»Wieder an der eigenen Wohnungstür, sah er, dass Goofy sich hingelegt hatte, aber noch immer zur Tür starrte. Nun öffnete er sie doch leise und lauschte ins Dunkel. Nichts. Er stieg vorsichtig eine Treppe höher, aber auch dort herrschte Stille. Kein Laut drang aus der Wohnung von Susanne oder von Schuberts, was er um halb drei Uhr nachts völlig normal fand. Während er auf dem Balkon gestanden hatte, war der nächtliche Besucher wahrscheinlich längst in seiner Wohnung angekommen. Doch irgendetwas hatte er in den Hausflur geschoben.

„Komm, Goofy, wir schauen mal nach.“ Wenn ihm jemand begegnete, könnte er sagen, der Hund habe ein dringendes Bedürfnis. Noch ehe Konstantin sich die Leine schnappen konnte, lief Goofy bereits auf sanften Pfoten an ihm vorbei, die Treppe hinunter. Er eilte so leise wie möglich hinterher und erschrak ganz furchtbar, als Goofy erst einen lang gezogenen Jaulton von sich gab und dann dreimal kurz, aber leider sehr laut bellte.

Konstantin wollte schon ärgerlich auffahren, doch tatsächlich verspürte er selbst kurz danach das Bedürfnis, laut zu schreien. … Vor ihm neben den Briefkästen im Flur lag leblos eine Person, die Augen starr aufgerissen.«

Sabine Schulze Gronover

Die Flucht der blauen Pferde

Kriminalroman

Broschur

13,5 x 20,5 cm

320 Seiten

ISBN 978-3-95451-724-4

Euro 10,90 [D] , 11,30 [AT]

Mai Jia – Das verhängnisvolle Talent des Herrn Rong – Roman

Cover-Mai JiaMai Jia – Das verhängnisvolle Talent des Herrn Rong – Roman

Aus dem Chinesischen von Karin Betz

352 Seiten, Gebunden mit Schutzumschlag, 19,99 €, erschienen 31. August 2015 bei DVA

Dieser Roman eignet sich nicht als Bettlektüre bei der man zur Ablenkung noch ein paar Zeilen lesen möchte, denn das Gebot heißt am Anfang: Aufmerksamkeit, um nicht mit den vielen exotischen Namen durcheinander zu kommen. Es geht um Herrn Rong, aber Rongs gibt es so einige, wie der Leser im Laufe des Romans erfährt. Dazu kommt noch die chinesische Namensgebung mit den „üblichen Namen“ wie Mai Jia, einer der erfolgreichsten Autoren in China schreibt, “ – Geburtsname, Beiname, Kosename, Ehrenname, die ganze Palette“. Mit dieser Geschichte erhält man ebenfalls einen kleinen Einblick in die chinesische Kultur, die den Westeuropäern weitestgehend unbekannt ist. Da ist unter anderem die Bedeutung des Traums zu erwähnen, dieses Thema durchzieht die gesamte Geschichte.

Das Verhängnis beginnt als Ende des 19. Jahrhunderts Großmutter Rong ihren Enkel ins Ausland schickt, um die Traumdeutung zu erlernen. 1873 verlässt der jüngste Spross der Rong Familie die südchinesische Stadt Tongzhen und studiert in Großbritannien Mathematik. Nach seiner Rückkehr nennt sich Rong Zilai allerdings britisch John Lilley. Mit dem hinterlassenen Silberschatz der Großmutter gründet er die später berühmten „Lilleys Akademie für Mathematik“ und lässt zum allgemeinen Erstaunen sogar Frauen zum Studium zu. So ändert sich auch der Geschäftszweig der Familie Rong. Aus Salzhändlern werden Mathematiker. In diese Familie hinein kommt das uneheliche Kind Rong Jinzehn, ein nicht nur äußerlich seltsamer Mensch sondern auch geistig eine Besonderheit, eine mathematische Ausnahmebegabung, ein Genie.

Interviews mit Meister Rong (wieder ein anderer Rong, beziehungsweise eine andere) und Direktor Zheng sollen die Glaubwürdigkeit der Geschichte untermauern, von der der Autor mehrfach behauptet: „Früher dachte ich einmal, es sei nicht das Wesentliche beim Schreiben, den Leser glauben zu machen, dass eine Geschichte wahr sei. Doch diese Geschichte – nun, mit dieser Geschichte verhält es sich anders, weil sie wirklich wahr ist und keinen Zweifel duldet.“ Und später “ Ich muss also betonen: Diese Geschichte ist historisch belegt, sie ist nicht erfunden, ich habe alles aus aufgezeichneten Interviews zusammengetragen.“

Das unterscheidet auch dieses Buch des Begründers der chinesischen Spionageliteratur von den westlichen Vorstellungen des Genres. Der 1964 geborene Mai Jia vermischt Historisches, Politverbrechen und Entschlüsselungskunst mit dem menschlichen Drama. Der historische Kontext der Geschichte ist die Zeit um die Gründung der Volksrepublik China, spielt aber bis in unsere Zeit hinein.

Gleichzeitig ist die Geschichtet ein Psychogramm des Mathematikgenies Rong Jinzehn, sein Aufstieg und vermeintliches Scheitern, mit Distanz nachvollziehbar auch für jeden Nichtmathematiker, denn schließlich geht es gar nicht um Mathematik, es geht um ein Leben, ein Schicksal. Das verhängnisvolle Talent des Herrn Rong ist keine Mainstreamgeschichte, das hat auch 20th Century Fox erkannt und sich bereits die Filmrechte gesichert, alleine von daher empfehlenswert, das Buch vor dem Film zu lesen. © Claudia Peppenhorst