“Boah, Blasmusik, schrecklich!”, habe ich früher gedacht. Alles war besser, Rock, Pop, Folk, Jazz, Klassik sowieso. Inzwischen weiß ich es besser, weil ich auf ‚meine alten Tage‘ etwas dazugelernt habe, oder besser gesagt, dazu erlebt habe. Aus diesem neuen Erleben muss ich gestehen, Blasmusik ist nicht gleich Blasmusik.
Früher hatte ich eine gewisse Aversion gegen jegliche Art von “Blasmusik”, weil es mich immer an Volkstümelei erinnerte. Inzwischen hat sich mein beschränkter Horizont erweitert.. In Borken – und nicht nur da – gibt es etliche Musikvereine, die nicht nur auf Schützenfesten spielen. Herausragendes Ereignis ist vielmehr ihr Jahreskonzert. Dort zeigen diese Gruppen vor einem mehreren hundertköpfigen Publikum ihr ganzes Können. Und da sind beachtliche Ergebnisse dabei!
Die können ja nicht nur Rum-Ta-Ta, sondern richtig professionell spielen und das hört sich auch echt gut an. Wenn dort beispielsweise Soundtracks aus Filmen erklingen, glaubt man kaum, dass das nur von Hobbymusiker gespielt wird. Das gilt nicht nur für die sogenannten Hauptorchester (Musiker von ca. 18 – 65 Jahren), auch viele Jugendorchester (14-18 jährige) sind schon wirklich gut. Manchmal sitzt bei denen schon noch mal ein Ton daneben, was sicher zum größten Teil in der Aufregung begründet ist. Selbst die Vororchester (Kinder bis 14 Jahren) stellen Beachtliches auf die Beine.
Nicht außer Acht zu lassen ist die pädagogisch, psychologische und soziale Komponente dieser Vereine. Es geht nicht um Vereinsmeierei, es geht um Freude am Musizieren, um das Erlernen eines Instrumentes – durch den Verein übrigens wesentlich kostengünstiger als in den Musikschulen oder im privaten Unterricht), um soziale Integration, um Herausforderung und um das Miteinander. Hobbymusiker, denen es an der großen Begabung fehlt, machen dennoch über Jahre oder für immer mit und werden nicht aus der Gemeinschaft ausgeschlossen, weil sie nicht so gut sind wie die anderen.
Die Pressesprecherin eines Vereins berichtete von einem motorisch gehandicapten Kind, das unbedingt Schlagzeug lernen wollte und nun in dem Orchester mitspielt. Zwar wird das Kind aufgrund der Behinderung nie so spielen können wie die Cracks an der Schießbude, aber es muss auch jemanden geben, der die Triangel spielt. Wer denkt, dass das leicht ist, lasse sich eines Besseren belehren. Einer meiner Musikprofessoren meinte zu dem Thema: “Nichts ist so schlimm, wie ein richtiger Ton zur falschen Zeit.” Und so ein Triangelton haut ganz schön rein.
Ich will hier jetzt nicht die große Bresche für die Musikvereine und die Blasorchester brechen, aber gehen sie doch mal zu einem dieser Konzerte, versuchen sie einmal über ihren Schatten zu springen, mich hat es auch Überwindung gekostet. Ich bin mit toller Musik belohnt worden und außerdem noch mit der einen oder anderen “Bühnenshow”. Vieles lobende Worte und Ansprachen bei diesen Auftritten betreffen mich nicht, ich kenne die Menschen dort zu wenig, aber das gehört dazu und man muss es einfach akzeptieren, es ist für diese Personen wichtig. Da werden die Honoratioren begrüßt, den frischgebackenen Väter applaudiert, das ist in Ordnung. Manchmal gibt es auch ganz spontanes, witziges. Der Dirigent bedankt sich am Mikrofon und möchte noch auf etwas hinweisen, was er vergessen hat: ” ….habe ich Schuld auf mich geladen…” worauf der neue Pfarrer aufspringt und ihm zuruft “Wollen sie beichten? Ich hätte jetzt Zeit.”
Wenn sie einmal Zeit haben, versuchen sie solch ein Jahreskonzert, besuchen sie es. Viel Vergnügen!
Viel Vergnügen.