Interview mit Ingo Oschmann
Ingo Oschmann, Comedian, TV-Star und Zauberer. In Ihrem aktuellen Programm „Hand drauf“ nehmen Sie das Lügen aufs Korn. Wie stehen Sie dazu, dass sich unsere Welt immer mehr entzaubert?
Das finde ich sehr schade und ich finde es nicht gut. In dem Programm gibt es eine Passage, in der ich mit einem Jugendlichen aus dem Publikum zaubere. Bei der Wiederholung des Tricks verrät immer jemand der Zuschauer, was passieren wird. Allerdings täuschen sich diese Menschen, denn es passiert doch unerwartetes und dann fühlen sie sich ertappt.
Das ist ein Problem von uns Erwachsenen, wir lassen nicht mehr geschehen, wir wissen immer alles schon, aber wir irren uns. Wir sollten wieder mal mit Kinderaugen durch die Welt laufen und uns überraschen lassen. Wir lassen uns nicht mehr gerne verzaubern, wir konsumieren nur noch phlegmatisch.
Woran zeigt sich für Sie dieses Konsumverhalten im Besonderen?
Wir laden und löschen Musik, wir speichern digitale Fotos und löschen sie wieder, weil sie nicht schön genug sind. Also, ich habe so viele Bilder aus den achtziger Jahren, die nichts geworden sind, die aber die schönsten Erinnerungen zeigen, die ich habe. Es muss nicht alles perfekt sein.
Was ist so schlimm an der Digitalisierung?
Ich finde die teilweise schlimm, besonders die Abhängigkeit in die wir dadurch geraten. Diese Durchleuchtung unserer Person; jeder weiß alles und jeder postet jeden Scheiß. Ich weiß nicht, ob das so gut ist.
Ist das denn nicht eine neue Freiheit?
Nein, man belügt sich ja auch selbst so ein bisschen. Man denkt: „Ich bin so frei!“ In Wirklichkeit beschränkten wir uns immer mehr.
Sie haben mit Ihren Eltern im Auto früher Kennzeichenraten gespielt.
Das ist heute nicht mehr möglich, die Kinder schauen doch alles sofort auf dem Smartphone oder im Tablet nach. Andererseits sitzen sie in ihren Spielzimmern und wissen nicht, womit sie spielen sollen. Wir sind früher noch in den Wald gegangen oder haben Buden gebaut. Das gibt es immer noch, ist aber eher die Ausnahme.
Wie würden Sie Ihre Kinder erziehen?
Freunden habe ich geraten ihren Kleinen in einen Waldkindergarten zu schicken. Sie haben es gemacht. Der Kurze hasst das natürlich im Winter, die ganze Zeit draußen. Aber der ist so kreativ geworden und kriegt so viel mit, das ist einfach toll.
Zaubern Sie gerne mit Kindern?
Ja, ich mache auch Kinderworkshops im Zaubern und das ist manchmal so erschreckend, wenn die ihrer Phantasie freien Lauf lassen sollen. Statt einer erfundenen Geschichte erzählen die was aus dem Fernsehen nach. Ich glaube, dass wir uns früher noch selber unsere Phantasiewelt aufbauen konnten.
Wie stehen Sie dazu, dass es in einer Sendung einen „Magier“ gibt, der Zaubertricks verrät?
Och, das stört mich nicht. Das schürt ja auch Interesse. Es gibt da eine große Diskussion darüber, dass Tricks nicht verraten werden dürfen. Aber ich habe ja auch mal angefangen, da muss schon jemand sein, der es einem beibringt. Ich hab das nicht selber erfunden. Anders, wenn David Copperfield durch die Chinesische Mauer geht, das geht niemand was an wie der das macht. Außerdem vergisst das Publikum sehr schnell und wenn du gut bist, ist ein Trick beim zweiten Mal immer noch interessant.
Was ist für Sie so toll am Zaubern?
Im Gegensatz zu einem Gag oder einem Witz, den man auf der Bühne erzählt, kann ein Zaubertrick niemanden verletzen oder diskriminieren. Er kann lustig sein, oder dich berühren, ein ganz tolles Mittel um mit dem Publikum zu kommunizieren.
Doch zurück zu Ihrem aktuellen Programm, die Sache mit der Lüge. Sind Sie grundsätzlich gegen Lügen?
Ja, ich versuche schon immer ehrlich zu sein, sowohl privat als auch beruflich. Als Zauberer arbeite ich mit Tricks, das ist kein Lügen. Ich habe da auch in meinem Leben ziemlich aufgeräumt, ich vermeide auch mich selbst zu belügen. Natürlich gelingt es nicht immer hundertprozentig. Manchmal lügt man auch, weil man jemanden nicht verletzen möchte. Aber das ist eine andere Qualität. Ganz schlimm finde ich Lügerei um Vorteile zu haben oder jemanden zu betrügen.
Keinen Selbstbetrug mehr. Wie schützen Sie sich vor einem neuen Burnout?
Zum Einen bin ich mit mir im Reinen. Und ich werde nicht wieder dreieinhalb Jahre ohne Pause durcharbeiten mit bis zu vier Auftritten täglich, ohne jeden Urlaub. Da war ich höchst unglücklich. Was und wie ich es jetzt mache, macht es mir Spaß. Und eigentlich bin ich immer der glücklichste Mensch, wenn ich nach so einem Auftritt nach Hause gehe.
Wie anstrengend sind die Abende jetzt?
Das Programm entspricht schon einem acht bis zehn Stunden Arbeitstag. Bildlich spanne ich zu jedem Zuschauer einen Faden. Alle Fäden laufen bei mir zusammen und daran muss ich ziehen, damit alle bei mir bleiben, nicht einschlafen. Dann noch die Inputs vom Publikum verarbeiten, reagieren, einbauen. Danach bin ich schon richtig platt.
Wo finden Sie Entspannung?
Beim Achterbahnfahren, beim Kochen, es gibt nichts Schöneres als für meine Freunde zu kochen. Vier, fünf oder sechs Gänge mit Wein und allem was dazu gehört, was man sich vorstellen kann.
Zum Abschluss bitte einen Rezepttipp.
Ich mag die einfachen aber überraschenden Sachen. Eine ganz einfache, fruchtige Salatsauce z.B. für Grünen Salat: Eine Passionsfrucht auslöffeln und das Fleisch mit ein, zwei Löffeln Creme frais verrühren, kein Salz, kein Pfeffer oder sonst was.
Claudia Peppenhorst bedankt sich herzlich für dieses Interview vom 30.3.2012