Vanessa Roggeri – Das Wilde Herz des Wacholders

Herz des WacholdersVanessa Roggeri – Das Wilde Herz des Wacholders – dtv premium

dtv bewirbt dieses Buch auf der Rückseite als „einen ungewöhnlichen Frauen- und Sadinienroman: atmosphärisch, mysteriös und emotionsgeladen bis zur letzten Seite“. Damit hat der Verlag mit sechs Begriffen sowohl Zielgruppe, Inhalt und Schreibstil treffend zusammengefasst.

Wer sich jedoch bei dem Begriff „Frauenroman“ bereits abwendet, verpasst eine tatsächlich hervorragend erzählte unbekannte Geschichte. Nicht nur Geschichte als Erzählform, sondern auch als historisch soziologischer Hintergrund. Oder wissen Sie was eine „Coga“ ist und welchen Schrecken sie unter der sardischen Bevölkerung im 19. Jahrhundert verursachte?

In einem kleinen Dorf auf Sardinien schenkt Assunta Zara ihrem Severino in einer Gewitternacht zu Allerseelen 1880 ein Kind, kein glückliches Ereignis, denn es ist bereits das siebte. Und was noch viel schlimmer ist, es ist das siebte Mädchen. Damit ist das Kind automatisch nach dem sardischen Volksglauben eine „coga“, eine Art Hexe. Die schleichen sich in der Nacht ins Haus, um das Blut neugeborener Knaben auszusaugen. Sie können jede Menge Übel über die Menschen bringen, Tiere verhexen, Krankheiten bringen und jede beliebige Form annehmen.

Das Baby soll getötet werden, aber Vater Severino schafft es nicht die Kleine zu erschlagen, er lässt sie in der Novembernacht in Regen und Kälte liegen. Seine älteste Tochter Lucia jedoch rettet das Neugeborene, gibt ihm den Namen Ianetta. Von da an scheint ein Fluch über der Familien zu liegen. Jeder Schicksalsschlag wird auf die „coga“ zurückgeführt. Ianetta wächst zwar auf dem Hof der Zaras auf, gehört jedoch nicht mit zur Familie, eher wird sie behandelt wie eine streunende Katze, der man Unterschlupf gewährt und irgendwo etwas zu essen hinstellt.

Auf eindrucksvolle Art zeigt der Roman, was ein tief verwurzelter Aberglaube alles bewirken kann und dass der rationale Verstand kaum in der Lage ist gegen Gefühle anzukommen. Was aus den Mitgliedern der Familie Zara im Laufe einer Generation wird und ob eine „coga“ tatsächlich Unglück über die Menschen bringt oder eher über sich selbst, das erfährt man auf 270 Seiten, bei einem kurzweiligen Lesevergnügen. Allerdings darf bei einem „Frauenroman“ eine gehörige Portion Kitsch nicht fehlen. Oder ist es wegen des Kitschs ein „Frauenroman“? Auf jeden Fall fehlt auch hier nicht die unvermeidliche Liebesgeschichte, sogar mit einem Arzt, Intrigen inbegriffen.

Übrigens hätte die Autorin aus dem Sujet einen spannungsgeladenen historischen Thriller machen können, aber sie hat sich entschieden uns einen „Frauenroman“ zu servieren. Nach dem Erstlingswerk der 1976 in Cagliari geborenen Vanessa Roggeri folgte im Mai 2015 ihr neuer Roman `Fiore di fulmine´ in Italien. Ganz ausgezeichnet hat Esther Hansen Roggeris Debütroman aus dem Italienischen in ein blumiges Deutsch übersetzt.

Das wilde Herz des Wacholders: Roman Taschenbuch – 19. Juni 2015

dtv premium, Taschenbuch (Juni 2015),  272 Seiten,  14,90 €

von Vanessa Roggeri (Autorin), Esther Hansen (Übersetzerin)

Emotion Caching ein Thriller von Heike Vullriede

Buch-Emotion-CachingEmotion Caching ein Thriller von Heike Vullriede

Reken. Verzeihen Sie, wenn ich etwas aushole. Ich hatte gerade Stephen Kings Doctor Sleep aus der Hand gelegt, ein Buch, das mich von vorne bis hinten in seinen Bann gezogen hatte. Der große King-Fan bin ich nicht, es war erst meine zweite Begegnung mit dem Autor, aber Respekt, die Story lief beim Lesen genau so toll ab wie ein guter Hollywoodfilm. Von King muss ich bei Gelegenheit noch einmal etwas lesen, dachte ich für mich. Und nach solch einem tollen Buch stellt sich die schwierige Frage, an was ich mich als nächstes wage, denn in der Regel ist bei mir die Enttäuschung vorprogrammiert, nur eins von zehn Büchern gefällt mir so gut.

Sie werden sich fragen, was das mit einer Rezension von Heike Vullriedes „Emotion Caching“ zu tun hat. Nun, ganz einfach, Emotion Caching fiel mir als nächstes Buch in die Hand. Meine Vorbehalte waren entsprechend groß, Heike Vullriede nach dem weltberühmten King, das kann nicht gut gehen. Eine „Provinzautorin“ nach dem „Meister des Grauens“, damit kann ich Vullriede nur Unrecht tun. Ich sollte noch einige Bücher dazwischen schieben, Abstand zu King gewinnen. Vielleicht einfach nur etwas Kurzes, denn Emotion Caching ist über 300 Seiten stark. So machte ich mir meine Gedanken, um der ja immer noch recht „jungen“ Schriftstellerin gerecht zu werden. Emotion Caching ist erst ihr dritter Roman. Ich wagte einen kurzen Blick auf die ersten Seiten, wollte schauen, ob sich Vullriedes Erzähl- und Schreibstil weiter entwickelt hat. Doch dann geschah etwas, womit ich nicht gerechnet hatte. Ich wurde von der ersten Seite an in eine Story hineingerissen, die mich nicht mehr los ließ. Jede Wendung der Geschichte entwickelt sich absolut logisch und leicht nachvollziehbar, die 500 Seiten scheinen an einem Abend dahin erzählt worden zu sein. Da war wieder dieses Gefühl in einem spannenden Film zu sitzen, diese Mal nicht Hollywood sondern ein hervorragender Krimi im deutschen Abendprogramm, allerdings gibt es hier keine Ermittler, keine Polizei, die etwas aufklärt, Auf einen Mord wartet man scheinbar vergeblich. Was da passiert ist ein Spiel, ein Kinderspiel und dann auch wieder perfide kriminell. Protagonistin ist Kim, irgendwo zwischen Pubertät und Erwachsen werden ist sie auf der Suche nach Gefühlen, die sie nicht mehr empfinden kann. Der Verlust der geliebten Vaters in ihrer Kindheit hat die junge Frau stark verstört, sie glaubt, selber nicht mehr zu normalen Gefühlen fähig zu sein, daher kommt sie auf eine absurde Idee. Kim will starke Gefühle anderer Menschen im Videofilm festhalten. Schnell findet sie Zustimmung in ihrer Clique, die aus ihr, Benny, Nico und Lena besteht. Sich auf die Lauer legen, um andere Menschen zu filmen, ist eine Sache, die Gefühle der Gefilmten jedoch ins extreme zu steigern eine andere. Dazu müssen die Kandidaten durch fiese Tricks gereizt werden. Die Sache verselbständigt sich irgendwie, ein Toter scheint ein Unfall zu sein, ein weiterer ein Mord. Wer ist der Mörder? Ein Mitglied der Clique, ein Außenstehender. Die Sache wird auch für die vier Gruppenmitglieder undurchsichtig.

Die zahlreichen Verwicklungen ergeben sich für den Leser absolut schlüssig, die Handelnden in der Story führen sie immer wieder in die Irre. Zwar ergibt sich zum Ende eine Lösung, die der aufmerksame Leser erahnen kann, jedoch beschreibt Vullriede dieses Ende sehr intensiv ohne allerdings in Sentimentalitäten oder Kitsch zu versinken. Ein packender und ungewöhnlicher Thriller, der absolut nicht mit dem Mainstream zu vergleichen ist. Heike Vullriede ist immer für eine Überraschung gut. Dieses Buch hat das Potential ganz oben in den Bestsellerlisten zu landen.

13,95 €

LUZIFER VERLAG
PERFECT PAPERBACK
THRILLER
320 Seiten
ISBN: 978-3-95835-062-5
ERSTERSCHEINUNG: 30.07.2015
E-Book bereits lieferbar